Die Cloud-Initiative Gaia-X soll die Abhängigkeit Europas von US-Technologiekonzern reduzieren. In der Bundesregierung wird Gaia-X deshalb bereits in der frühen Entwicklungsphase als Konkurrenz zu den Cloud-Produkten von Google, Amazon und Microsoft gesehen. Bei der Vorstellung der Initiative vor einem Jahr sagte Forschungsministerin Anja Karliczek, dass „die Macht über Daten in Europa nicht mehr in den Händen einiger weniger internationaler Konzerne liegen solle.“
Es war deshalb umso überraschender, als im November 2020 bekannt wurde, dass Google, Microsoft und Amazon zu den Gründungsmitgliedern der Gaia-X Foundation AISBL gehören. Insgesamt umfasst die Gründerliste 160 Unternehmen und Verbände, darunter verschiedene Cloud-Dienste aber auch spätere Nutzer der Infrastruktur wie Volkswagen und die Deutsche Bank. Geleitet wird das Projekt von einer belgischen Stiftung, die die Koordination und Aktivitäten der Mitglieder steuert.
Akzeptanz für US-Konzerne hoch
Die hohe Akzeptanz der US-Konzerne innerhalb der Gaia-X Initiative zeigte sich auch während der Konferenz Mitte November, bei der Amazon, Google und Microsoft deutlich mehr Redezeit erhielten als viele Vertreter von europäischen Cloud-Hostern. Dies nutzten vor allen Amazons Cloud-Abteilung AWS und Microsoft, um die Innovationskraft der Unternehmen zu präsentieren.
Microsoft-Manager Casper Klynge erklärt, dass ohne die fortschrittlichste Technik und den „Datenreichtum der Welt“ die europäische Wirtschaft leiden werden. Die Botschaft des Konzerns wird deutlich: Ohne die großen US-Cloud-Anbieter ist laut Microsoft ein Projekt wie Gaia-X nicht möglich.
Organisationsstruktur soll Europa Kontrolle sichern
Als Problem sieht die Gaia-X-Stiftung trotz der offensiven Äußerung von Microsoft die Mitgliedschaft der Konzerne nicht. Laut der Verantwortlichen stellt die Organisationsstruktur sicher, dass die Kontrolle über die europäische Cloud auch bei Beteiligung amerikanischer und asiatischer Konzerne stets in Europa verbleibt.
Konkret soll dies dadurch sichergestellt werden, dass nur Mitglieder mit Hauptsitz innerhalb der Europäischen Union (EU) Vorstandskandidaten nominieren können. Überdies darf nur der Vorstand Mitglieder der Gremium bestimmen, die dann die Regeln und die technischen Standards der Gaia-X-Diensten entscheiden.
Information der Nutzer im Fokus.
Einige Experten warten trotz vor Risiken, die durch eine Involvierung von nicht EU-Unternehmen entstehen. In einem Gespräch mit dem Magazin c’t sagte der Open-Source-Entwickler und Cloud-Experte Kurt Garloff vom Gaia-X-Teilprojekt „Sovereign Cloud Stack“, dass ein Upload nicht personenbezogener, unkritischer Daten in US-Clouds zwar durchaus legitim sei, dass der Online-Katalog von Gaia-X-Diensten aber Datenschutz- und Kontroll-Defizite der außereuropäischen Anbieter klar auflisten muss. Dies soll laut Garloff sicherstellen, dass „Nutzer wissen, worauf sie sich einlassen.“
Widerstand gegen strengen Datenschutz aus Europa?
Derzeit ist noch unklar, ob die geplanten Datenschutz- und Kontrollmöglichkeiten in vollen Umfang umgesetzt werden können. Dies liegt daran, dass die entscheidenden Kriterien noch nicht im Detail ausgearbeitet wurden. Außerdem könnten die Pläne am Widerstand einzelner Gaia-X-Mitglieder scheitern. Besonders die Vertreter der Open-Source-Szene wollen zwar strenge Regeln durchsetzen, einige Konzerne, die bereits lange mit US-Cloud-Diensten zusammenarbeiten könnten, aber versuchen diese zu blockieren. Garloff prophezeit deshalb „starke Lobbykräfte.“
Hohe Mindestanforderungen zur Teilnahme bei Gaia-X
Aktuell sieht das Konzept für Anbieter von Gaia-X-Diensten hohe Mindeststandards vor, die zur Aufnahme in den Katalog erfüllt werden müssen. Dies umfasst unter anderem die Möglichkeit, dass der Kunde sich für eine Speicherung seiner Daten innerhalb der EU entscheidet. Außerdem müssen Anbieter verschiedene Zertifikate besitzen und angeben, wenn außereuropäische Rechtsgrundlagen Anwendung finden. Laut Garloff könnten die US-Konzerne diese Bedingungen „relativ schnell“ erfüllen.
Deutlich kritischer sehen die Teilnahme der US-Cloud-Dienste laut einem Bericht im Politikportal Euractiv die beiden französischen Open-Source-Unternehmer Stefane Fermigier und Sven Franck, laut denen sich Gaia-X in ein „trojanisches Pferd“ der US-Konzerne entwickeln könnte. Prinzipiell ist es laut den Kritikern sogar möglich, dass die Fördergelder des Gaia-X-Projekts zur Finanzierung amerikanischer und asiatischer Unternehmen genutzt wird und dass das Projekt zum „Datenschutz-Feigenblatt“ für diese Konzerne wird.